FlexCAR
Entwicklung einer offenen Fahrzeugplattform für die Mobilität der Zukunft
Euer Ansprechpartner

Dr. Michael Lahres
Mercedes-Benz Group AG
Dr. Michael Lahres ist Maschinenbauingenieur und leitet das Projekt FlexCAR ab dem 1. August 2021. Er ist verantwortlich für die Außendarstellung und vertritt FlexCAR gegenüber dem Projektträger und den Partnern.
FlexCAR
Eine Offene Fahrzeugplattform für die Mobilität der Zukunft
Smartphones haben unsere Nutzung der Telefonie grundlegend geändert. Umfangreiche Büro- und Datenkommunikation ist von jedem Ort und zu jeder Zeit möglich. Standardisierte und offene Softwareschnittstellen (API) ermöglichen Drittanbietern, neue Applikationen auf Basis der bestehenden Hardware anzubieten. Hier setzt das durch das Bundesministerium für Forschung und Bildung finanzierte Förderprojekt FlexCAR (10/18 bis 09/23) an, in dem mit einer standardisierten autonomen Fahrzeugplattform ein Forschungsdemonstrator entwickelt wurde, der neue technologische Features unmittelbar aus dem Forschungsstadium nach dem Plug-and-Play-Prinzip gezielt implementieren lässt und eine Validierung im Hinblick auf ein künftiges Anwendungspotenzial ermöglicht.
1. Die Vision
Die Vision des Verbundprojekts FlexCAR ist die Übertragung dieser Entwicklung auf zukünftige Mobilitätskonzepte. Zulieferer, aber auch neue Marktteilnehmer wie Start-Ups oder Entwickler-Communities werden eingeladen, über den gesamten Fahrzeuglebenszyklus Dienstleistungen und Komponenten für die Plattformbetreiber (OEM), oder auch direkt für die Endkunden zur Verfügung zu stellen. Dazu sind hard- und softwareseitig Schnittstellen zu definieren. Sie müssen möglichst einfach ("plug & play") zu nutzen sein, aber trotzdem höchsten Anforderungen an Cybersecurity genügen.
2. Die Zielsetzung
Das Ziel des Projektes FlexCAR ist die Entwicklung einer cyberphysischen Fahrzeugplattform mit offenen Hard- und Softwareschnittstellen. Die Implementierung von selbstreflektierenden, selbstbeschreibenden und serviceorientierten Komponenten auf dieser Plattform erlaubt es, ein Fahrzeug zu konzipieren, das über seinen gesamten Lebenszyklus sowohl im Soft- wie auch im Hardwarebereich update- und upgradefähig ist bis hin zu einer vollständigen, automatischen Rekonfigurierbarkeit und Absicherung des Gesamtsystems. Um die Machbarkeit des Konzeptes nachzuweisen und aufzeigen zu können, wie das Automobil von morgen entstehen und gestaltet sein wird, betrachtet das Verbundprojekt FlexCAR die offenen Schnittstellenfragen im Laufe der Projektdauer anhand typischer Fahrzeugumfänge. Diese Fahrzeugumfänge umfassen dabei die Entwicklung einzelner, zukunftsweisender Komponenten in einem exemplarischen, verkleinerten Innovationsnetzwerk und deren Nutzung in einer Forschungs- und Experimentierplattform.
3. Die Themenbereiche im Projekt
Vier Themenbereiche bilden den inhaltlichen Schwerpunktrahmen des FlexCAR-Projekts:
Themenbereich 1 – Das "Rolling Chassis" entwickelt eine elektrisch angetriebene und über 5G angesteuerte Forschungsplattform mit zugänglicher und offener Soft- und Hardware. Die Plattform dient als wettbewerbs- und baureihenunabhängige Forschungs- und Experimentierplattform für die Erarbeitung von Einzeltechnologien in diesem Projekt. Erweitert wird diese Plattform durch eine Bodenplatte, welche eine Schnittstelle zum Interieur herstellt und dem TB 2 für verschiedene Use Cases und Interieurstudien zur Verfügung steht.
Der Schwerpunkt des Themenbereichs 2 – "Interieur und cyberphysischer Einstieg" baut auf den Themen des Themenbereiches 1 auf. So werden hier interieurbezogene Use Cases betrachtet, deren Fokus die Bereiche „Working during driving autonomous“ und „Relaxing during driving autonomous“ sind. Bucht beispielsweise eine Kunde eine Fahrt über eine App, wird diese Anfrage über 5G gesendet und verarbeitet. Entsprechend der Kundenanforderungen wird ein Fahrzeug zugewiesen und dem oder der Kunde/-in die Angaben über Ort und Zeit übermittelt. Das Fahrzeug trifft zum vereinbarten Zeitpunkt am vereinbarten Ort ein und hält Ausschau nach dem oder der Kunden/-in. Über nach außen gerichtete Kameras kann mit dem Fahrzeug Kontakt aufgenommen werden. Es wird nur berechtigten Personen Zutritt gewährt und die Fahrt kann entsprechend abgerechnet werden. Die zukünftige Interaktion zwischen Passagieren und autonomen Fahrzeugen ist deshalb auch während der Fahrt ein wichtiger Schwerpunkt.
Im Themenbereich 3 – "Flexible Produkt- und Produktionskonzepte" wurde u.a. in enger Zusammenarbeit mit dem Projekt Fluide Produktion (FluPro) das Produktions- und Montagekonzept von FlexCAR erarbeitet. Drive- und Energymodule rücken hier in den Fokus der produktionstechnischen Betrachtung; zum Beispiel die Fragestellungen nach passenden Blech- oder Strukturprofilierungen im Rahmen des Chassis. Mit Hilfe standardisierter Schnittstellen ist das Rolling Chassis Teil des cyberphysischen Produktionssystems und kann als weiterer Use Case während der Fertigung beispielsweise als fahrerloses Transportsystem eingesetzt werden und ersetzt somit heutige Transport- und Fördertechnik im Werk.
Der Themenbereich 4 – "Offener Entwicklungsprozess modularer Fahrzeuge" beschäftigt sich mit der Umsetzung eines der wesentlichen Kriterien von FlexCAR: dem offenen Entwicklungsprozess. Ziel ist es, offene Schnittstellen bei Hard- und Software zu entwickeln und umzusetzen, wodurch neue Geschäftsmodelle etabliert werden können. FlexCAR ist damit viel mehr als nur ein neues Fahrzeugkonzept. Es bietet eine Forschungsplattform für die zentrale Entwicklung und Fertigung modularer Fahrzeugsysteme.
4. Die Ergebnisse
4.1 Antrieb und Wechselspeichersysteme
Motivation
Im Rahmen des FlexCAR Forschungsprojekts wurde eine fahrbare, update- und upgradefähige Plattform als Rolling Chassis aufgebaut, welches im Wesentlichen aus drei einzelnen Modulen besteht. Diese drei Einzelmodule, die sich in zwei baugleiche Antriebsmodule (DRIVE-Module) vorne und hinten sowie ein Speichermodul (Energy-Modul) in der Chassismitte aufteilen, stellen die Basis für das Rolling Chassis dar. Vorgerüstet mit Antriebskomponenten und E-/E-Umfängen in den DRIVE-Modulen können diese dann mit dem Energy-Modul zusammengefügt werden. Das Energy-Modul bildet mit dem integrierten Energiespeicher das Mittelstück des Chassis. In ihm lassen sich unterschiedliche Energiespeicher (Batterie oder Brennstoffzelle) und dazugehörige Komponenten integrieren. Durch eine weitgehende Vereinheitlichung der Schnitt- und Kontaktierungsstellen lassen sich die DRIVE-Module und Energy-Module kombinieren, und somit eine antriebsflexible Plattform darstellen.
Stand
Die Integration der unterschiedlichen Energiespeicher erfolgt über jeweils angepasste Tragstrukturen. Die Schnittstellen zwischen den einzelnen Modulen für Elektrik- und Elektronikumfänge sind dabei über Stecksysteme und Anschlüsse weitgehend vereinheitlicht. Hierzu flossen Erkenntnisse aus der „Innovationsinitiative Leitungssatz“, einem offenen Kooperationsverbund aktiv mitarbeitender Branchenvertreter, die im Rahmen des Forschungscampus ARENA2036 verschiedene vorwettbewerbliche Themenstellungen bearbeiten, mit ein.
4.2 Aufbau Bodenmodul, Interieur Set-up und Use Cases
Motivation
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt des Projekts FlexCAR war die Konzeption, Demonstration und Evaluation neuer Interieurkonzepte für die autonome Mobilität der Zukunft. Um die Fahrzeit im automatisierten oder autonomen Fahrzeug optimal zu nutzen, kommt besonders dem Use Case Arbeiten eine wichtige Rolle zu.
Stand
Die Hardware-Schnittstelle zwischen dem Rolling Chassis und dem Themenfeld des Interieurs ist das Interieurmodul. Dieses verfügt über eine selbsttragende Rahmenkonstruktion, in die Sitzschienen mit zusätzlichen Nebenschienen integriert wurden. Mit diesem Schienensystem lassen sich diverse Sitzkonstellationen und -positionen abbilden, sowie verschiedenartige Interieurkomponenten befestigen und unabhängig zu den Sitzen positionieren. Die Nutzerstudie „mobile work 2036“ sollte unterschiedliche Technologien für den Konsum und die Bearbeitung von digitalen Inhalten untersuchen. Dafür wurde das Interieurmodul mit zwei Sitzen und zwei interaktiven digitalen Arbeitsflächen ausgestattet. Die erste interaktive Oberfläche besteht aus zwei HPL-Platten zwischen denen eine touchsensitive Folie einlaminiert wurde. Mit Hilfe von drei Projektoren, die aufgrund ihrer Bauform für einen Einbau im Auto realistisch in Frage kommen, wurde so eine interaktive Interieuroberfläche geschaffen.
Rolling Chassis mit Interieurmodul und Sitzen (Komponenten aus Serienfahrzeug Mercedes-Benz V-Klasse, V447). Grafik: Mercedes-Benz AG

4.3 Exterieur- und Interieurkonzeptentwicklungen
Motivation
Der Wandel der Nutzungsmodelle für Fahrzeuge hin zum autonomen Fahren und Shared Mobility steht in direktem Zusammenhang mit der Änderung der Mobilitätsbedürfnisse sowie des Nutzungsverhaltens und stellt somit die Forderung nach mehr Flexibilität und Adaptivität an das Fahrzeug von morgen. Im Forschungsprojekt FlexCAR lag der Fokus auf einer homogenen Forschungsplattform mithilfe derer sowohl Entwicklungszeit als auch -kosten eingespart werden können. Moderne, cyberphysische Ansätze ermöglichen es, Produktionsaspekte und Produktthemen in kundenzentrierten Designs in Ex- und Interieur umzusetzen, die verschiedene Use Cases abbilden.
Stand
Der Fokus lag auf zwei unterschiedlichen Haupt Use Cases, welche die Flexibilität des Rolling Chassis darstellen. Der Peoplemover Use Case fokussiert sich auf den Transport von 4 Insassen, die das Shuttle als Kombination aus „Working during driving autonomous“ und “Relaxing during driving autonomous“ nutzen. Das Luxury Car Use Concept dient zur Darstellung und Untersuchung zukünftiger autonomer High Class Mobilität, bei der „Relaxing during driving autonomous“ im Vordergrund steht. Diese Use Cases bedingen unterschiedliche Exterieur und Interieur Designs (siehe Bild 5 und Bild 6), die von uns erstellt und in Virtual Reality untersucht wurden. Punktuelle Features wurden in Hardware aufgebaut, der Großteil wurde jedoch digital als 3-D-Modell dargestellt und cyberphysisch untersucht. Konkrete Anwendungsfälle dieser Forschung waren die Überprüfung unterschiedlicher Einstiegskonzepte, sowie die Kommunikation und Interaktion im Interieur zwischen Passagier und autonomem Shuttle.
Interieurkonzept für Peoplemover Use Case. Grafik: HdM Stuttgart & Exterieurkonzeptentwurf für Peoplemover Use Case. Grafik: DLR Stuttgart
4.4 Cyberphysische Visualisierungstechnik
Motivation
Im Rahmen des FlexCAR beschäftigte sich die Hochschule der Medien mit dem Erlebbarmachen von autonomen Fahrzeugen und des Fahrzeuginterieurs der Zukunft. Dabei wurde ein fahrerloses autonomes Fahren des SAE-Levels 5 betrachtet mit Fokus auf Erstnutzende beziehungsweise frühzeitige Nutzende. Hierbei lag der Schwerpunkt auf der Erschaffung von Transparenz zwischen Passagier und Autonom. Durch die Erzeugung von KI-Transparenz, dem Aufschlüsseln der Handlungen des autonomen Fahrzeugs mittels neuartiger Human Machine Interfaces sollte versucht werden, eine positive User-Experience für Endanwender beim autonomen Fahren zu erzeugen.
Stand
Die Umsetzung des Trackings realer Fahrzeugelemente und deren Synchronisation mit einer virtuellen 3-D-Umgebung ist weit fortgeschritten. Eine virtuelle autonome Fahrt durch eine simulierte Stadt mit verschiedenen Parametern (zum Beispiel Wetter, Tageszeit, Verkehrsaufkommen etc.) wurde umgesetzt. Nächste Schritte umfassten die Fertigstellung vom Interieur und Exterieur des autonomen Shuttles sowie Probandentests, um den Prototypen iterativ anzupassen. Des Weiteren wurden Performance-Optimierungen und die Erweiterung des aktuellen Stands um Elemente von Projektpartnern (zum Beispiel Gepäcksysteme, mobiles Arbeiten oder Einstiegskonzepte) in Arbeit durchgeführt.
4.5 Neue Profilstrukturen für das FlexCAR-Chassis
Motivation
Das im FlexCAR-Projekt entwickelte Rolling Chassis stellt eine fahrbare, upgrade-fähige sowie modulare Fahrzeugplattform dar, die rein elektrisch oder mittels Brennstoffzelle betrieben werden kann. Der aktuelle FlexCAR-Prototyp folgt einem hoch integrativen Konzeptansatz, der in einem zweiten Schritt durch flexible, bedarfsorientierte Produktionskonzepte optimiert wurde. Der Fokus lag hierbei auf der Weiterentwicklung des Energiespeichermoduls (Energy-Modul), welches die Rahmenstruktur für das Hochvoltspeichersystem beziehungsweise für die Brennstoffzelle mit Wasserstoff-Tanks bildete. Neuartige Anforderungen wurden dabei berücksichtigt, die aus dem Strukturwandel in der Automobilindustrie hin zu einer nachhaltigen, elektrischen Mobilität, sowie aus kürzeren Entwicklungs- und Produktlebenszyklen resultieren. Die hier entwickelten Profilstrukturen sollten möglichst gewichtsoptimiert, gut rezyklierbar, bedarfsgerecht gestaltet und einfach anpassbar sein.
Stand
Die simulative Optimierung des Energy-Moduls aus Aluminium-Strangpressprofilen hinsichtlich einer modularen Bauweise bei gleichzeitiger Erfüllung von zulassungsrelevanten Crashanforderungen, insbesondere des Seitenpfahltests, zeigte, dass durch die Einbringung lokaler Verstärkungsstrukturen eine Gewichtsreduktion des Schwellers bei verbessertem Crashverhalten realisiert werden kann. Die intelligente Kombination von verschiedenen Aluminium-Legierungen sorgt nicht nur für die erforderlichen Eigenschaften der Bauteile zwischen Duktilität und Extrudierbarkeit, sondern auch, dass das Schwellerprofil selbst bei massiven Deformationen die Systemintegrität garantiert. Die beiden Einlegerprofile im Schweller, die je nach Konfiguration modular in den Schweller integriert wurden, bestehen aus einer hoch-performanten HSA6® Aluminiumlegierung mit sehr guter Rezyklierbarkeit und leisten damit einen erheblichen Beitrag zur Gewichtsreduktion und zur Nachhaltigkeit.
Um die Crashanforderungen auch in reiner Blechbauweise zu erfüllen, wurden die crashrelevanten Profile aus mehreren gebogenen Blechen mittels Laserstrahlschweißen zu einem Mehrkammerprofil zusammengefügt. Durch den Einsatz der neuartigen TRUMPF Multifokus-Technologie konnte hierbei die Porenentstehung in der Schweißnaht weitestgehend vermieden werden, was gasdichte Schweißnähte ermöglicht. Teilweise wurden die Bleche mithilfe von Steckverbindungen positioniert. Dies ermöglicht ein flexibles und vorrichtungsarmes Fügen. Der Wegfall des Flansches spart zusätzlich Gewicht ein.
In einer herkömmlichen Fertigung wird der Eckknoten in der Regel als separates Bauteil, z. B. als Gussteil, hergestellt und muss aufgrund von Passproblemen meist aufwändig nachbearbeitet werden. In diesem Projekt wurde der Eckknoten durch intelligente Verschachtelung der Blechprofile mittels einer neuartigen Klebetechnik realisiert. Hierfür wurde eine LMD-Naht, deren Höhe genau dem Spaltmaß zwischen den Profilen entspricht, auf eines der zu verklebenden Profile aufgetragen und die Profile anschließend zusammengesteckt. Auf diese Weise konnten einerseits Toleranzen im Spaltmaß ausgeglichen werden, andererseits überall ein konstantes Spaltmaß gewährleistet werden. Das konstante Spaltmaß und die sichere Positionierung ermöglichen damit eine prozesssichere Klebstoffinjektion und eine zuverlässige Verbindung der Profile ohne kritischen Wärmeeintrag.
4.6 Sensorintegrationen am FlexCAR
Motivation
Durch die Integration von Sensoren im Rolling Chassis des Projektes FlexCAR sollte ein update- und upgradefähiges Fahrzeug realisiert werden. Hierzu zählt einerseits die Sensorik für das autonome Fahren als auch die Verwendung von Sensoren zur Strukturüberwachung und die Integration von Zusatzfunktionen.
Stand
In einem Ansatz zur Fahrzustandsschätzung und Lokalisierung wurden die fahrzeuginternen Raddrehzahl- und Lenkwinkelsensoren sowie die IMU verwendet. Die Geschwindigkeits-, Ausrichtungs- und Positionsprädikition aus einem Inertialnavigationssystem wurde hierbei in einem Unscented Kalman Filter (UKF) mit den Beobachtungen aus einem raddrehzahlbasierten Odometriemodell und einer gravitationsbasierten Lageberechnung vereint. Ergänzt werden konnte dieses System um die Positionsbeobachtung aus der 5G-Positionierung oder der infrastrukturkamerabasierten Lokalisierung. Lidar und Kamera finden im FlexCAR Anwendung in der Umfeldmodellierung, der Lokalisierung des Fahrzeugs und der Erkennung von Objekten im näheren Umfeld.
4.7 Implementierung gedrucktes Bedienelement mit integrierter RFID-Bauteilerkennung
Motivation
Um elektrische Komponenten wie ein Bedienelement für ein Fahrzeug kostengünstig herstellen zu können, müssen diese meist in großen Stückzahlen produziert werden. Gleichzeitig sollen diese Komponenten aber auch optisch möglichst ansprechend bzgl. Farbe und Design in das entsprechende Interieur des Fahrzeugs integriert werden können, was in einer entsprechend hohen Variantenvielfalt resultiert. Mit Hilfe von additiven Fertigungsverfahren können Design, Oberflächen und Farben von Bauteilen bei Fertigung auf der gleichen Maschine frei gestaltet werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, gedruckte Leiterbahnen frei im Bauteil zu platzieren und gedruckte Sensorelemente zu integrieren. Um sicherzustellen, dass bei einer hohen Variantenvielfalt von Bauteilen auch das richtige Bauteil ins jeweilige Fahrzeug eingebaut wird und wurde, ist eine kabellose Überprüfbarkeit wünschenswert.
Stand
Mit Hilfe der Inkjettechnologie konnte ein additiv gefertigter 2D-Demonstrator eines Bedienelements (Abmessung 100x50x1 mm³) mit Taster- und Slider-Funktion aufgebaut werden. Dieses besteht aus einem semitransparenten schwarzen Kunststoff, gedruckten Leiterbahn- und Sensorelementen und einer elektrischen Anbindung an ein 16-poliges Flachbandkabel. Weiterhin konnte durch die Wahl geeigneter Druckparameter und -strategien die Oberfläche optisch und haptisch so weit angepasst werden, dass die Position des Tasters sichtbar, aber auch mit dem Finger erfühlbar ist. In inkjetgedruckte 3D-Objekte konnten erfolgreich RFID-Tags (Abmessung 57,1x5.95 x 1.3 mm³) integriert und mittels RFID-Lesegerät auf Distanz identifiziert werden. Über eine im Projekt entwickelte Benutzeroberfläche können die Daten auf dem RFID-Tag angezeigt und bei Bedarf neu beschrieben werden.
4.8 Integrierte onboard- und offboard- Kommunikation über 5G in die ARENA2036-Architektur des onboard- und offboard-Netzwerks
Motivation
Anforderungen an zukünftige Fahrzeuge verschieben sich zunehmend von der Hardware hin zu flexiblen Softwareinstanzen, um auf veränderte Anforderungen an Rechenressourcen durch Funktionsanpassungen, Updates oder Hardwareausfälle reagieren zu können. Flexibilität in der Entwicklung spielt dabei eine ebenso große Rolle wie Anpassungen über Updates nach dem Fahrzeug Roll-out. Die Verbesserung bestehender Algorithmen, der Austausch mit Umfeldsensorik oder auch das Einbinden externer Sensorik über die eigene Systemgrenze hinaus fordern ein hohes Maß an Flexibilität, dass mittels einer offenen Entwicklungsplattform und softwareorientierter Architektur erreicht werden kann. Updates erfolgen bereits heutzutage ohne Werkstattbesuche Over-the-Air mittels Fernwartung. Der Fernzugriff ermöglicht neben Steuerungsfunktionen auch das Teilen aller onboard-Daten für Visualisierungen. Die Kommunikation zu externen Geräten stellt zeitgleich die Mindestanforderung für die Vehicle-2-everything Konnektivität (V2X). Eine integrierte, aber flexible onboard- und offboard-Kommunikation über 5G in der Indoor - ARENA2036-Umgebung war für das FlexCAR-Projekt notwendig.
Stand
Die Kommunikationsarchitektur des Rolling Chassis umfasst sowohl die interne Kommunikation (onboard) als auch die externe Kommunikation (offboard). Die onboard-Kommunikation beschreibt den Datenaustausch zwischen allen Geräten und Instanzen, die auf dem Rolling Chassis verbaut und installiert sind. Informationen werden dabei über Ethernet ausgetauscht. Durch Verwendung einer softwareorientierten Architektur (SOA) ist die Software nicht mehr an eine bestimmte Hardware gebunden und kann flexibel im System ausgeführt werden. Die SOA wird im Rolling Chassis über die Middleware Data Distribution Service (DDS) umgesetzt, u. a. mittels RTI connext. Die Serviceschnittstellen sind im .idl Format standardisiert und werden mit zusätzlicher Information über Quality of Service (QoS) ausgetauscht. Die onboard-Kommunikation erfolgt dadurch interoperabel über Softwareinstanzen, Programmiersprachen und diversen Betriebssysteme hinweg. Eine adaptive Kompatibilität zum Robot Operating System 2 (ROS2), oder der AUTOSAR Adaptive Plattform ist dadurch gegeben. Für die offboard-Kommunikation wurde eine 5G-Verbindung zum Indoor ARENA2036-Produktionsnetzwerk hergestellt. Die Kommunikation innerhalb des ARENA2036-Netzwerks erfolgte über das Message Queing Telemetry Transport Protokoll (MQTT).
Sowohl DDS wie auch MQTT arbeiten beide nach dem Publish-Subscribe Prinzip, allerdings auf Basis unterschiedlicher Protokolle. Eine Übersetzung der Protokolle musste deshalb erfolgen. Um volle Kompatibilität zwischen den onboard- und offboard-Systemen herzustellen, wurde vom IAT der Universität Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IAO eine DDS2MQTT-Bridge entwickelt. Beliebige Nachrichten können damit aus und in das Fahrzeug geroutet werden. Zur Anbindung von eingebetteter Hardware unterstützt die Kommunikationsarchitektur neben DDS und MQTT ebenfalls das User Datagramm Protokoll (UDP). Hierdurch konnte zum Beispiel die Kommunikation zum Steuergerät für grundlegende Fahrfunktionen realisiert werden. Auch hierfür wurde eine eigene Software-Bridge entwickelt. Die Regelung der Fahrfunktionen, der Sensorik bzw. Aktorik, der Datenaufbereitung und Verwertung erfolgt jeweils intern über weitere speziell entwickelte Softwareinstanzen. Die notwendige Rechenleistung wird durch vier Nvidia Jetson AGX Xavier Module bereitgestellt. Aufgrund der gewählten Architektur fungiert die gesamte Netzwerkkommunikation des Rolling Chassis sowohl fahrzeugintern als auch über das Indoor ARENA2036-Netzwerk als eine geschlossene Einheit.
Die Kommunikation des Rolling Chassis mit dem Indoor ARENA2036 Netzwerk erfolgt über das von Nokia installierte 5G Stand Alone System (5G SA) der ARENA2036. Mittels zwei Pico Remote Radio Heads die auf dem 5G Radio Interface übertragen, kann somit eine Funkabdeckung von 4000 m² erreicht werden. Eine weitere Micro Basis Station wurde zusätzlich im Outdoorbereich auf dem Parkplatz der ARENA2036 installiert, um einen unterbrechungsfreien Zellwechsel der Funkzellen zu ermöglichen. Das Core Netzwerk wurde zu einem breitbandigem 5G Core Netzwerk ausgebaut. Eine 10 Gbit Glasfaserleitung deckt die hierfür notwendigen Bandreiten ab. Das 5G Netzwerk operiert dabei mit einem Downlink von über 1 Gbit/s und 250 Mbit/s im Uplink, bei optimierten Latenzen (Round-Trip) im Bereich von 8 – 15 ms.
Infrastrukturseitige Sensorik zur Positions- und Hindernisbestimmung spielt eine wichtige Rolle im FlexCAR-Projekt, insbesondere beim Betrieb in Innenräumen, wo kein GPS-Signal zur Verfügung steht. Positionsbestimmung und Ortung des Rolling Chassis erfolgen dabei fahrzeugextern und werden über die 5G-Luftschnittstellen dem Fahrzeug übermittelt.
Für die Ortung mittels Kamerasystem wurden vier in der Halle der ARENA2036 montierte IP-Kameras eingesetzt. Deren Videodaten werden via 5G an einen zentralen Steuerrechner übertragen. Dort sind Perzeptionsalgorithmen implementiert, die die Position und Orientierung des Rolling Chassis sowie die Position etwaiger Hindernisse bestimmen. Dies erfolgt mittels neuronalen Netzen sowie mittels inversem perspektivischen Mapping (IPM). Die genaue Position der Hindernisse wird durch eine “Footprint”-Bestimmung mittels UND-Verknüpfung der Aufnahmen der verschiedenen Kameras ermittelt. Die erkannten Positionen und Hindernisse werden mit einer Genauigkeit von ca. 5 cm durch die beschriebene Kommunikationsarchitektur an das Rolling Chassis übertragen.
Für die Lokalisierung mobiler Endgeräte hat Nokia Bell Labs außerdem ein über das 5G-Netz hinausgehendes Prototypen-System in der ARENA2036 - Halle aufgebaut. Es handelt sich dabei um Messempfänger, die 5G-Uplink-Signale empfangen und an einen Server weitergeben. Auf dem Server wird aus den Messungen mittels spezieller Algorithmen die Position des mobilen Endgeräts geschätzt. Die Daten der 5G Positionierung werden in Echtzeit an das Fahrzeug zurückgegeben.
Das Konzept der offenen Entwicklungsplattform und deren Implikation wurde im FlexCAR Projekt von DXC untersucht. Der softwaredefinierte Ansatz einer offenen Entwicklungsplattform fördert die Open-Source- und Crowdkollaboration mit dem einhergehenden inhärenten Innovationspotenzial. Gleichzeitig finden grundlegende Veränderungen des digitalen Lebenszyklusmanagements und der Software-Lieferkette statt. Es wurden neue Prozesse wie DevOps in die Fahrzeugindustrie integriert, zusammen mit Over-the-Air-Updates (OTA). Um die technische Machbarkeit zu zeigen, konzipierte DXC eine Pilotanwendung zur OTA-Softwareaktualisierung unter Verwendung der eSync-Technologie der Firma Excelfore. Als Beispiel für eingebettete Funktionen wählte DXC das Objekterkennungssystem aus, das auf dem Rolling Chassis zur Verwendung kam. Über eine neue Version der Objekterkennungssoftware konnte erfolgreich eine Verbesserung der ADAS-Funktionalität durch das OTA-Software-Update getestet werden. In Zusammenarbeit mit der Firma Asvin untersuchte DXC die Integrität mit Bezug Cyber-Security im Ökosystem mehrstufiger Zulieferer- und OEM-Softwareketten. Mittels einer automatisierten Ende-zu-Ende Prozesskette hinsichtlich Entwicklung, Bereitstellung/Freigabe und Installation und der Asvin-Blockchain-Dokumentation konnte exemplarisch gezeigt werden, wie eine sichere auditierbare Softwarelieferkette implementiert werden kann.
5. Die Anknüpfungspunkte / Nachfolgeprojekte
Die ausgewählten Schwerpunktthemen zeigen , dass man mit diesen neuen innovativen Ansätzen und Methoden eine zielgerichtete, schnelle und effiziente Auslegung künftiger Mobilitätsformen im Hinblick auf ein automatisiertes bzw. autonomes Fahren mittels der Forschungs- und Experimentierplattform FlexCAR darstellen kann. Die entwickelten softwareorientierten Architekturen bieten eine flexible Zuweisung von Programmen an die Hardware FlexCAR und heben damit die Modularität des FlexCAR-Konzeptes auf ein neues Level, was zusammen mit der Breitbandkommunikation einen vollständigen Datenaustausch für eine Nutzung von Edge- oder Cloudcomputing ermöglicht. Die geschaffene offene FlexCAR-Forschungsplattform mit ihren neuen Wechselspeicher- und Fertigungskonzepten bietet mit der Einbettung der VR/AR- Technologie einen idealen Raum für weitergehende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, baureihen- und wettbewerbsunabhängig.
In der Phase III sollen ab 01/2024 im Förderschwerpunkt Mobility 2036 auf dem Campus der Arena 2036 im Nachfolgeprojekt CARpulse ausgewählte Aspekte weitergehend erforscht werden. Diese sollen sich zum einen mit der soft- und hardwareseitigen Weiterentwicklung dieser Forschungs- und Experimentierplattform anhand ausgewählter Demonstratorkomponenten, einer Visualisierung von ausgewählten Fragestellungen mittels AR/MR/XR, als auch Aspekte zum Mensch-Crashmodellierung bei autonomem Fahren beschäftigen.
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Was sagen unsere Partner? Die Menschen, die täglich in der ARENA2036 arbeiten, entwickeln und die Zukunft gestalten?






Über Fraunhofer
Projektbeteiligung in der ARENA2036
Projektpartner in der Forschungsfabrik ARENA2036 sind die beiden Fraunhofer-Institute IAO und IPA.
Das Fraunhofer IPA realisiert hoch innovative und nachhaltige Lösungen in der Produktionstechnik und Automatisierung für Kunden in verschiedensten Zukunftsbranchen. Die Lösungen stehen dabei stets in Verbindung mit den strategischen Eckpfeilern des Instituts „Mass Sustainibility“ und „Mass Personalization“.
In der ARENA2036 koordiniert das Fraunhofer IPA die Erforschung neuartiger Methoden in der Fahrzeugproduktion. Hierfür wird eine Forschungsfabrik gebaut, in der Technologien entstehen, die individualisierte Produkte in Losgröße eins zu Kosten der Massenfertigung ermöglichen. Kerntechnologie hierfür sind wandlungsfähige Produktionssysteme, mit denen Unternehmen auf schwankende Wettbewerbsfaktoren oder verkürzte Produktlebenszyklen reagieren können. Das Fraunhofer IPA entwickelt Lösungen für die Planung dieser Systeme und realisiert Komponenten hierfür, wie bspw. wandlungsfähige Montagestationen.



Über Nokia
Nokia kreiert die Technologie, um die Welt zu verbinden. Angetrieben von der Forschung und Innovation von NOKIA Bell Labs, hat Nokia viele fundamentale Technologien erfunden, die moderne Informations- und Kommunikationsnetze sowie alle digitalen Geräte und Systeme erst ermöglichen und bedient Kommunikationsdienstleister, Regierungen, Großunternehmen und Verbraucher mit dem umfassendsten Ende-zu-Ende-Portfolio von Produkten, Dienstleistungen und Lizenzierungen.Projektbeteiligung in der ARENA2036

Über Siemens
Projektbeteiligung in der ARENA2036
Siemens bietet für das Unternehmen der Zukunft Lösungen aus vier elementaren Bereichen: Der Digital Enterprise Software Suite, den Bereichen industrielle Kommunikationsnetzwerke und industrielle Sicherheit, sowie geschäftsspezifische Dienstleistungen.
Mit Know-How und Produkten aus den ersten zwei Bereichen unterstützt die Siemens AG den Forschungscampus ARENA2036 bei der Realisierung eines digitalen Zwillings der realen Produktion sowie bei der zuverlässigen und sicheren Vernetzung von flexiblen Logistiksystemen.
Links


Über die Universität Stuttgart
Projektbeteiligung in der ARENA2036
Die Universität Stuttgart ist mit einer Vielzahl ihrer Institute in die Forschungsplattform ARENA2036 eingebunden:
Institut für Flugzeugbau (IFB)
Institut für Parallele und Verteilte Systeme (IPVS)
Institut für Kunststofftechnik (IKT)
Institut für Textiltechnik, Faserbasierte Werkstoffe und Textilmaschinenbau (ITFT)
Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW)
Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT)
Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen (IVK)
Institut für elektrische Energiewandlung (iew)
Institut für Erziehungswissenschaft, Abteilung Berufs-, Wirtschafts- und Technikpädagogik (BWT)
Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik (IEH)
Institut für Polymerchemie (IPOC)
Institut für Linguistik: Anglistik (IfLA)
Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF)
Institut für Fördertechnik und Logistik (IFT)
Institut für Strahlwerkzeuge (IFSW)
Das Institut für Flugzeugbau (IFB) ist beispielsweise im Projekt LeiFu und dem Projekt DigitPro mit mehreren Mitarbeitern in der ARENA2036 verankert. Das Projekt Khoch3 wird durch Universitätsmitarbeiter des BWT unterstützt.
Die Angliederung des Forschungsbaus ARENA2036 an den Universitätscampus bildet die perfekte Grundlage für einen intensiven und interdisziplinären Kompetenztransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Dafür steht der Leitsatz „Industry on Campus“.