Montageprozess des

Leitungssatz

Analyse der Leitungsstazmontage, für die integration eines Digitalen Zwillings und automatisierung von Montageprozessen

Ihr Ansprechpartner

Christian Kosel

ARENA2036 e.V.

Herr Kosel ist Forschungskoordinator

Montage des Leitungssatzes

Entwicklungs eines Umsetzungskonzeptes für die digitalisierte Durchführung der Leitungssatzmontage

Der Leitungssatz wird beim Automobilhersteller als erste Komponente in die noch „nackte“ Karosserie eingebaut. Angeliefert in einem Sack, der bis zu zwei Zentner wiegen kann, haben die Werker zunächst die Aufgabe, das Kabelgewirr auseinanderzufalten und grob auszulegen. Ein Auto hat heute mehr als tausend Kabel, mehrere hundert Steckgehäuse. Je autonomer die Fahrzeuge in Zukunft werden, desto mehr Kabel kommen dazu. Kabel etwa für Sensoren, die Daten sammeln und die KI trainieren und solche, die die Vernetzung mit der Außenwelt gewährleisten. Was noch dazu kommt, sind redundante Versorgungen zum Ausfallschutz für Lenkung oder Bremssysteme zum Beispiel. Stellt man sich den Kabelbaum als weitverzweigtes Nervensystem vor, das in jeden Winkel der Karosserie hineinreicht, wird es zunehmend schwieriger, in den engen Bauräumen dafür zu sorgen, dass die Nerven nicht geknickt oder eingeklemmt werden.

Das Teilprojekt 4 steht für den Übergang von der Komponente Leitungssatz zum Gesamtprodukt Automobil. Das ist der Moment, in dem sowohl der Leitungssatz als auch die zugehörige Verwaltungsschale an das Fahrzeug „übergeben“ und in die Gesamtverwaltungsschale integriert werden. Das heißt: Alle gesammelten Informationen werden zu einem Gesamtbild vereint. Die Inhalte könnten auch für den weiteren Lifecycle und weitere Prozesse zur Verfügung gestellt werden.

Ziele des Teilprojektes

Die Analyse des Ist-Montageprozesses wird als Grundlage für weitere Aufgaben dienen, nämlich um mögliche Optimierungen vorzunehmen. Die Herausforderung hierbei wird sein, die notwendigen Datenbedarfe und Parameter für eine automatisierte Montage zu ermitteln und in der Verwaltungsschale zu hinterlegen. Denn bislang wird die Montage händisch ausgeführt, weil es noch keine fertigen Automatisierungslösungen gibt. Biegeschlaffe Teile mit Hilfe von Robotik zu montieren, erfordert feinmotorisch superversierte Roboter, die kleinste Riegel in einem Verriegelungsmechanismus umklappen können. Die Leitungssätze müssten vom Roboter erkannt werden, egal wie eng die Kabel beieinander liegen. Außerdem ist die Lage der Leitungen wegen der Biegeschlaffheit immer anders, um nur ein paar Schwierigkeiten auf dem Weg zur Automatisierung zu nennen. Ein weiterer Aspekt ist: Jeder Leitungssatz ist ein Unikat. Bis jetzt lohnt es sich nicht, Roboter für Losgröße 1 zu programmieren. Die Idee für dieses Teilprojekt ist, eine Vorstellung zu entwickeln, wie eine robotergestützte Montage zukünftig aussehen kann.

Die Verwaltungsschale ist der Enabler für eine Automatisierung, wenn semantisch beschriebene Daten vorhanden sind und auf diese automatisiert zugegriffen werden kann. Wenn Maschinen Informationen bekommen, wie zum Beispiel: Wie ist die Karosserie aufgebaut, wo sind die Durchbrüche, welche Störkonturen gibt es oder wo sind die Montagepunkte für Clips und Stecker? Dann wäre das ein Schritt, der es Robotern möglich machen würde, den Leitungssatz in die Karosserie zu hieven, dort auszulegen und anzuschließen.

Aktuelle Arbeitsschwerpunkte und Ergebnisse

Über eine automatisierte Nullpunkterfassung im Fahrzeug kann für die Montage ein einheitliches Koordinatensystem aufgebaut werden. Kommt eine neue Anfrage an die Produktionsanlage, können nun über die Verwaltungsschalen von Karosserie und Leitungssatz alle Zielkoordinaten definiert werden. Es können die Traglasten und Reichweiten berechnet werden.

In vier Arbeitspaketen werden die Aufgaben vertieft:

AP4.1 Verwaltungsschale der relevanten Montage-Komponenten

AP4.2 Auswahl der zu automatisierenden Prozesse

AP4.3 Dokumentation der Anforderungen zu diesem Prozess

AP4.4 Konzept zur Montage des Leitungssatzes

Stand der Arbeiten

AP4.1 Verwaltungsschale der relevanten Montage-Komponenten:

Es ist davon auszugehen, dass der Leitungssatz eine Verwaltungsschale besitzen wird, die Karosserie eine andere. Dass der Roboter am Montageband konstruktive Daten kennt, diese interpretieren kann und entsprechende Handlungen folgen lassen kann. Ein Beispiel: Wie stark ein Leitungssatz gezogen werden darf, bevor er kaputtgeht. Die Analyse der Umgebung ist ein weiterer wichtiger Punkt, denn gerade bei Fädelprozessen müssen möglicherweise mehrere Roboter parallel arbeiten. Wenn etwa Leitungen vom Innenraum in den Motorraum verlegt werden, müssen Roboter fädeln. Hierfür müssen sie aufeinander abgestimmt sein. Dazu braucht es die entsprechenden Daten, etwa mit welcher Geschwindigkeit gefädelt wird.

Zu den aktuellen Arbeitsschwerpunkten gehört das Bereitstellen von Prozessdaten, analog zum Teilprojekt 3, wo man schon ein Stück weiter ist und weiß, für welchen Prozessschritt welche Daten gebraucht werden. Auch Aufgaben, wie etwa die semantische Beschreibung von Arbeitsanweisungen und Parametern gehören dazu, damit Maschinen oder Roboter miteinander reden können.

AP4.2 Auswahl der zu automatisierenden Prozesse:

Der Weg in die Automatisierung führt am einfachsten über ein Beispiel. Gesucht wird ein Prozess, der im Moment noch hauptsächlich manuell durchgeführt wird. Daraus werden Daten abgeleitet, in der Verwaltungsschale hinterlegt und auf eine Digitalisierung hingearbeitet, die schließlich in eine Automatisierung münden kann.

Als Beispiel wurde der Montageprozess des Leitungssatzes ausgewählt. Für die Ausführung der Montage müssen zwei wichtige Prozessschritte unterschiedenen werden: Die Grob- und Feinauslegung innerhalb der Karosserie.

Die Grobauslegung meint das Einbringen der Leitungssatztasche in das Fahrzeug, das Öffnen der Tasche und die Grobauslegen der Stränge des Leitungssatzes in der Karosserie. Die finale Ausrichtung von Clipsen und Steckern spielt in diesem Prozessschritt eine untergeordnete Rolle.

Der Fokus der Feinauslegung liegt darauf, wie die einzelnen Clips, Stecker, usw. richtig orientiert sind, um eine sowohl elektrische als auch mechanische Verbindung mit dem Gegenstück herstellen zu können.

Die automatisierte Montage erfordert eine präzise Identifikation der dafür notwenigen Prozessschritte und deren Reihenfolge. Beispielhaft wurden für den Fall einer Anlieferung des Leitungssatzes in einer sogenannten Packtasche (LS-Tasche) die Schritte definiert die Einbringung in die Karosserie notwendig sind, siehe folgende Abbildung.

Es wurden die folgenden Schritte definiert:

  1. Transport der LS-Tasche in das Fahrzeug
  2. Grobpositionierung der Transporttasche im Cockpit-Innenraum
  3. LS-Tasche im Fahrzeug ablegen
  4. Leitungsstrang greifen
  5. Leitungssatz durch den Durchbruch fädeln
  6. Fortführen des Fädelprozesses – LS-Strang zum Zielort verlegen

Für die genannten Prozessschritte wurden die dafür notwendigen Annahmen dokumentiert und deren Fähigkeiten auf Prozessebene definiert.

AP4.3 Dokumentation der Anforderungen zu diesem Prozess

Im Arbeitspaket 4.3 werden Anforderungen gesammelt, die notwendig sind, damit der Roboter eine Bewegung ausführen kann. Daraus leiten die Projektbearbeiter Bewegungssimulationen ab. Diese würden in Form einer Emily-Datei an die Robotersteuerung übergeben, mit dem Ziel, dass der Roboter die Bewegung mit Hilfe der Datei ausführen kann.

Konkret werden die Anforderungen der folgenden Themenkreise untersucht:

  • Umgreif-Bewegungen (Pick & Place)
  • Handling von Leitungen
  • Handling von Steckverbindern
  • Identifizierung und Beschreibung der notwendigen Fähigkeiten
  • Umsetzung der Fähigkeiten in dem Submodell „Capabilities“
  • Identifizierung und Beschreibung der Skills

Für deren Untersuchung werden zunächst Prozesse und deren Anforderungen detaillierter textuell beschrieben, um dann daraus entsprechende Thesen ableiten zu können. Diese Erkenntnisse sollen im weiteren Projektverlauf evaluiert und begründet verändert werden.

AP4.4 Konzept zur Montage des Leitungssatzes

In der Realität einer automatisierten Montage könnten Kameras genutzt werden, um Kabel zu erkennen. Das würde einem Montage-Roboter helfen, Grob- und Feinlokalisierungen zu verstehen. Daraufhin könnte er wissen: In einem bestimmten Bereich kann eigentlich nur der Leitungssatz des Kofferraumdeckels liegen. Im nächsten Schritt könnten Formerkennung und Strichcode helfen, die richtigen Stecker zu identifizieren.

So oder so ähnlich wird in einem anderen eigenständigen Projekt in der ARENA2036 vorgegangen, dass sich mit dem robotischen Handling von Leitungssätzen in der Montage und in der Produktion beschäftigt und das am 1.1.2023 starten soll. Das Projekt läuft unter dem Namen „Robohandling“. Es gibt bereits eine Verständigung darüber, dass hier eine Zusammenarbeit sinnvoll ist.

Nächste Schritte und erwartbare Ergebnisse

Das angestrebte Ergebnis wird sich dabei in drei Teilbereiche gliedern.

  • Integration und Übergabe der Verwaltungsschale des fertigen Leitungssatzes

Die Datenbedarfe und Parameter, die für eine automatisierte Montage des Leitungssatzes in der Karosserie notwendig sind, sollen durch die Prozessanalyse ermittelt und in der Verwaltungsschale hinterlegt werden. Anschließend soll die Verwaltungsschale (Matroschka Prinzip) in die Verwaltungsschale des Fahrzeugs mit allen Inhalten übergeben werden.

  • Entwicklung einer maschinenlesbaren Arbeitsanweisung für Robotik-Anwendungen, die direkt aus der Verwaltungsschale umgesetzt werden kann

Aus einer digitalen Arbeitsanweisung können die in der Verwaltungsschale hinterlegten Daten und Parameter mit einzelnen Prozessschritten verknüpft und für den Anwendungsfall gesamthaft abgerufen werden.

  • Bereitstellung der Daten für den weiteren Produktlebenszyklus

Die Verwaltungsschale ist nicht nur in der Lage Daten bereitzustellen, sondern kann diese auch aufnehmen und verarbeiten. Somit kann eine vollständige Rückverfolgbarkeit über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg ermöglicht werden